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Vorbei...Alle hier besprochenen Ereignisse liegen lange zurück, bleiben aber zu Dokumentationszwecken online. Pressemitteilung vom 15.1.2010 zur erneuten Verhandlungsbereitschaft der StadtNachdem es monatelang keinerlei Kontakt zwischen den BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne-Geländes und der Erfurter Stadtverwaltung gab, hat Oberbürgermeister Andreas Bausewein Anfang des Jahres angekündigt, dass er zu neuerlichen Verhandlungen bereit ist. Wir begrüßen es, dass sich die Stadt Erfurt wieder verhandlungsbereit zeigt. Denn mit der Räumung des Besetzten Hauses im April vergangenen Jahres ist in Erfurt eine Lücke im soziokulturellen und politischen Raum entstanden, die rasch wieder gefüllt werden muss. Erfurt braucht eine vielfältige kulturelle Landschaft, in der es sowohl Platz gibt für die unterschiedlichen Träger der Soziokultur als auch für nichtinstitutionalisierte und selbstorganisierte Einrichtungen wie das ehemalige Besetzte Haus. Wir erwarten von der Stadt Erfurt, dass es nun zu ernsthaften Verhandlungen kommt, und zwar ohne Vorbedingungen wie etwa eine Vereinsgründung. Wir hoffen auf eine baldige Lösung, indem ein Objekt gefunden wird, dass dem Engagement der BesetzerInnen hinreichenden Raum bietet und werden den Prozess auch weiterhin öffentlich begleiten.
Zur Verurteilung wegen "ideeller Besetzung"Am 3.4. wurden wurden 19 Personen vom Landgericht Erfurt verurteilt, das besetzte ehemalige Topf&Söhne-Gelände in Erfurt zu räumen und herauszugeben. Von allen Verurteilten wurde kein einziger auf dem besetzten Gelände angetroffen. 15 wurden bei einer Soli-Aktion für das Besetzte Haus – der Besetzung eines leerstehenden Fabrikgeländes in der Hohenwindenstraße – von der Polizei kontrolliert. Eine Person hatte den Brand im besetzten Haus am 2.4.2009 bei der Feuerwehr gemeldet. Ein weiterer wurde am Abend des Brandes vor dem besetzten Gelände vor der Polizei kontrolliert. Zwei Personen haben Strom bzw. Wasser für das Besetzte Haus angemeldet. Das Gericht folgt in seiner Urteilsbegründung der Argumentation des Besitzers des Geländes, daß es sich bei diesen Personen um die Verantwortlichen für die Hausbesetzung handelt. Das Gericht ist der Auffasung, daß es nicht nötig ist, tatsächlich auf dem Gelände zu wohnen, um zu den Besetzern gezählt zu werden: Es ist „nicht erforderlich, daß sich der Anspruchsschuldner in der Weise Besitz begründen muss, daß er sich andauernd auf dem Grundstück aufhält, wie dies die Verfügungsbeklagten meinen. Gerade bei einer Mehrheit von gleichgesinnten Besitzern müssen nicht alle Besitzer gleichzeitig und dauernd gemeinsam die Sachherrschaft ausüben. Vielmehr genügt es auch, wenn jemand als Anstifter oder Gehilfe einen Verursachungsbeitrag zur verbotenen Eigenmacht leistet.“ Kürzer hatte es der später wegen Befangenheit abgelehnte Richter Schiller am ersten Verhandlungstag formuliert: Es gelte zu prüfen, ob es nicht auch eine „ideelle Besetzung“ gäbe. Zu einem Mitarbeiter des Bildungskollektiv Biko, der den BesetzerInnen Hilfe angeboten hatte, heißt es im Urteil: „Der Verfügungsbeklagte zu 5) hat auch selbst eingeräumt, vom Brand informiert worden zu sein und sich auf das besetzte Objekt begeben zu haben [..] Daß der Verfügungsbeklagte zu 5) angeblich zu einem Träger der freien Jugendhilfe gehört, spricht nicht dagegen, ihn den Hausbesetzern zuzuordnen, zumal er die Hausbesetzerszene aktiv unterstützt. Eine klare Grenzziehung zwischen dem Anliegen des Trägers und des Verfügungsbeklagten zu 5) und den Zielen der Hausbesetzer, das Grundstück widerrechtlich zu besetzen (§123 StGB), ist aus den Angaben des Verfügungsbeklagten zu 5) nicht erkennbar.“ – mit der selben Argumentation hätte man auch Susanne Henning (MdL Die Linke) oder einen Erfurter Pfarrer, der beim Brandabend vor Ort war und den BesetzerInnen Unterstützung angeboten hat, verurteilen können. Eine gewisse Kontinuität hat dieses Vorgehen in dem Sinne, daß schon früher in Thüringen bürgerschaftliches Engagement mit hoheitlichen Maßnahmen kriminalisiert und diskreditiert wurde, indem z.B. der Flüchtlingsrat Thüringen vom Verfassungsschutz beobachtet wurde oder die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen einer Sitzblockade gegen GewerkschafterInnen ermittelt hatte. Damals ergingen allerdings keine Verurteilungen. Unbenommen davon, wie man zum Besetzten Haus in Erfurt steht, ist am Vorgehen der Justiz skandalös, daß man offensichtlich nicht gewillt war, zwischen den BesetzerInnen und der breiten Unterstützerszene zu unterscheiden. Um mitschuldig an der Besetzung zu sein, reicht es aus, sich öffentlich für die HausbesetzerInnen einzusetzen, an einer Soli-Aktion teilzunehmen oder die Besetzung anderweitig zu unterstützen. In Zeiten, in denen sowieso ein eklatanter Mangel an Zivilcourage herrscht, ist diese neue Rechtspraxis dazu geeignet, die Unterstützung für zivilgesellschaftliche Projekte weiter zurück zu drängen. Räumung von Topf&Söhne steht unmittelbar bevorAm 3.April hat die Kammer des Landgericht Erfurt entschieden, der Räumungsklage der Immobilienfirma Domicil GmbH statt zu geben. 18 Personen wurden verurteilt, das Topf&Söhne-Gelände zu verlassen. Damit ist der Termin der Räumung in greifbare Nähe gerückt! Die im Prozess Beklagten mit Wohnort in Hannover, Nürnberg, Leipzig, Erfurt und anderswo erklärten nach der Urteilsverküngung:
Die Initiative Platz nehmen! will mit massenhaften Sitzblockaden die Räumung ver- oder behindern, während Händeweg zu vielfältigen Aktionen aufruft. Soli-Konto eingerichtetFür die zu erwartenden nicht unerheblichen Kosten der Rechtsstreitigkeiten wurde ein Spendenkonto "Repressionskosten selbstverwaltete Zentren in Erfurt" eingerichtet. Konto-Inhaber: Reinhold Halbleib "Platz nehmen!"Die Kampagne "Platz nehmen" will die anstehende Räumung des besetzten Geländes mit massenhaften Sitzblockaden verhindern. Zur Webseite der Kampagne geht es hier. Erfurt braucht offene RäumeWir – BildnerInnen, Kulturschaffende und gesellschaftspolitisch engagierte Menschen – haben uns schon im April 2008 an die Stadt und die interessierte Öffentlichkeit gewandt und um Unterstützung für das Besetzte Haus auf dem ehemaligen Topf&Söhne-Gelände in Erfurt geworben. Die Unterstützung der Stadt Erfurt sieht bisher so aus, daß für den Fall einer Räumung zwar ein Objekt zur Verfügung gestellt werden soll, dieses aber weder von der Größe noch von der Lage her dazu geeignet ist, dem vielfältigen soziokulturellen Engagement der BesetzerInnen hinreichend Raum zu geben. Das Besetzte Haus hat sich durch zahlreiche Projekte und Veranstaltungen zu einer anerkannten Institution im kulturellen Leben der Stadt entwickelt, die jetzt akut in Gefahr ist. Das Besetzte Haus bietet Raum für selbstorganisierte Bildung, Geschichtspolitik, gesellschaftspolitische Intervention, unkommerzielle Soziokultur und Kommunikation über die Grenzen sozialer Milieus hinaus. Gerade die Verbindung verschiedener Projekte schafft Möglichkeiten, die in einem beengten Rahmen nicht zu realisieren sind. Nach wie vor sind wir der Überzeugung, daß dieses Projekt als Verstärker für eine alternative und lebendige Soziokultur wirkt, die gerade in Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus ein wichtiger Kristallisationspunkt für eine tolerante und offene Gesellschaft ist. Deswegen appellieren wir noch einmal mit Nachdruck an die politisch Verantwortlichen in Erfurt, sich für den Erhalt dieses in Erfurt einmaligen Projektes in seiner jetzigen Form einzusetzen. "In seiner jetzigen Form" bedeutet, daß ein Ersatzobjekt von seiner Beschaffenheit dazu geeignet sein muss, dem vielfältigen Engagement und dem Wohnprojekt der BesetzerInnen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Weiter rufen wir alle Menschen dazu auf, ihre Unterstützung des Besetzten Hauses öffentlich zu zeigen und an der Demonstration "Hände weg vom besetzten Haus" am 22.11.2008 teilzunehmen.
Unterzeichnen? Schreiben Sie uns eine Mail an soli[ät]biko.arranca.de Offener Brief
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Aktueller Stand15.01.2010Gemeinsame Pressemitteilung verschiedener politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure fordert ernsthafte Verhandlungen 17.11.2008BildnerInnen, Kulturschaffende und gesellschaftspolitisch Aktive Einzelpersonen und Institutionen fordern mit Nachdruck, das Besetzte Haus in seiner jetzigen Form zu erhalten und rufen zur Demonstration am 22.11. auf. 21.10.2008Wie das besetzte Haus hier berichtet, ist das Projekt derzeit akut in seinem Bestand gefährdet. Deswegen findet am 22.11.2008 eine Demonstration in Erfurt statt. Den Aufruf findet man hier. 15.4.2008Neue UnterstützerInnen eingetragen. 14.4.2008Das "7-Jahre-Besetzt"-Festival mit Musik, Veranstaltungen und einem Rundgang über das Gelände hat am vergangenen Wochenende ohne Zwischenfälle stattgefunden. 10.4.2008Der hier dokumentierte offene Brief
zur Unterstützung des Besetzten Hauses auf dem
ehemaligen Topf&Söhne-Geländes wurde heute
veröffentlicht. Konkreter Anlass ist der Eindruck,
daß der Druck auf das besagte Projekt
zunimmt. |